Pfarrer Ansprache
zur Gedächtnismesse |
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Weish 11,23-12,1
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fallt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht" (Joh 12,24). Im Mai 1955 gaben wir nicht nur den Leib von Fürstin Margarete zurück in das Geheimnis Gottes, sondern zugleich auch ihr Leben, ein reiches und langes Leben. Es war für manche ihrer Angehörigen eine eigentümliche Erfahrung in den letzten Tagen vor dem 2. Mai 1955, wie ein Mensch, ein alter Mensch, der der Stunde des Todes näher ging, in eigenartiger Weise eine Distanz gewinnt, entrückt wird - wie es hier auf dem Bild von 1953 zu sehen ist. So entrückt, daß zugleich etwas sichtbar wird von Vollendung des Lebens. Das ist fast so, als wenn man einen schönen Torso sieht, ein Bruchstück von einem Kunstwerk. Gleichsam von selbst zeichnet sich da ein Ganzes ab. Ich meine, daß so etwas von der Vollendung aufleuchtete. Es wird etwas erfahren von dem, was uns erwartet, von dem, was wir "ewiges Leben" nennen. Denn Vollendung, das meint nicht nur ein Sich-Abwenden des Lebens. Denn Vollendung meint ja zugleich, daß hier etwas Bleibendes, Endgültiges Gestalt gewinnt. Gerade weil wir im Glauben so die Vollendung ahnen, wird es angemessen sein, in dieser Stunde ein wenig über das Geheimnis Gottes im Leben von Margarete Klementine, Erzherzogin von Österreich nachzudenken. Denn diese Vollendung, die sich dort zeigte, das ist ja das, worin Gott seine Wohnung nimmt, das, was in Ewigkeit bei ihm sein wird. Im Buch der Weisheit heißt es im 11. Kapitel: "Du aber hast mit allen Erbarmen, denn du liebst alles, was da ist, und verabscheuest nichts von dem, was du geschaffen hast. Hättest du etwas gehaßt, hättest du es dann geschaffen?" (Weish 11,23-12,1) Geheimnis Gottes in unserer verstorbenen Fürstin Margarete: das Leben, das zur Vollendung kommt, bahnt sich hier an. Schauen wir zurück auf ihr Leben, nicht einfach, um uns zu erinnern, sondern um durchzuschauen, um die Perspektive zu gewinnen für den Blick in die Zukunft, für das, was auf uns zukommen wird. Ich meine, daß das Leben von Fürstin Margarete unerhört reich war, viele Züge aufwies, die man gar nicht so kurz nennen kann. Die am 6. Juli 1870 geborene Margarete war die anmutige Tochter Erzherzogs Joseph und seiner Gemahlin Clothilde, einer geborenen Prinzessin von Sachsen-Coburg. Als Palatine von Ungarn residierte die Familie in Budapest oder auf ihrem ungarischen Landsitz Alcsút (sprich: Alc-schut). Dort verbrachte Margarete auch ihre Kindheit und Jugend. Zwei ihrer Cousinen waren Prinzessin Marie Therese, Gemahlin des späteren Königs Ludwig III. von Bayern, und Kronprinzessin - Witwe Stefanie von Österreich, Gemahlin des in Mayerling verstorbenen österreichischen Thronfolgers Rudolf. Onkel mütterlicherseits war Zar Ferdinand von Bulgarien, ihre Tante die Königin von Belgien. Ihre Großmutter, Prinzessin Clementine von Sachsen-Coburg, war die Tochter des französischen Bürgerkönigs Louis Philippe. Am 15. Juli 1890 heiratete sie Albert Maria Lamoral von Thurn und Taxis. Die Trauungszeremonie des fürstlichen Paares in Budapest nahm in der Siegmundkapelle der Ofener Hofburg der Primas von Ungarn, Kardinal Simor, unter Assistenz von vier Bischöfen in ungarischer Sprache vor. Zur Feier waren alle Mitglieder des österreichischen Erzhauses, sowie zahlreiche Angehörige der österreichischen, ungarischen und bayerischen Aristokratie geladen. Fürst Albert und Fürstin Margarete machten schon in den ersten Jahren ihrer Regentschaft das Regensburger Schloß zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt für die Regensburger Bürger und die adeligen Standesgenossen. Ihre gemeinsame Begeisterung für Kunst, Wissenschaft und den Sport und ihr soziales Engagement waren allerorts spürbar. Zudem pflegte man zu den verwandten Regentenhäusern Deutschlands und Europas enge Kontakte. Auch hatte man durch den gezielten Erwerb von ausgedehntem Grundbesitz in den habsburgischen Kronländern Böhmen und Kroatien sich das Kaiserhaus zum Verbündeten gemacht. So darf es nicht verwundern, daß der am 21. Dezember 1893 dem Fürstenpaar als erstes Kind geborene Erbprinz den Namen seines kaiserlichen Taufpaten, des Onkels und Kaisers Franz Joseph, erhielt. Die Wahl dieser Vornamen war zugleich als Programm jener Rolle zu verstehen, die das Haus Thurn und Taxis auch künftig zu spielen gedachte. Neben dem Fürsten pflegten das gesellschaftliche und kulturelle Leben insbesondere auch Fürstin Margarete und Erbprinz Franz Joseph. Die übrigen fünf nachgeborenen Söhne Carl August, Louis Philippe, Max Emanuel, Raphael Rainer, Philip Ernst und die einzige Tochter Helene wurden selbstverständlich schon im Kindesalter zu Repräsentationspflichten bei kulturellen und sozialen Einrichtungen herangezogen. Ehrenprotektorate, Besuche in sozialen Einrichtungen oder von Weihnachtsveranstaltungen gehörten zu ihrem wachsenden Aufgabenbereich. Mittelpunkt der künstlerischen Aktivitäten und auch familiärer Kristallisationspunkt war jedoch Fürstin Margarete selbst. Vier Faktoren prägten ihr Leben: Sie war Mutter, Künstlerin, "Sozialarbeiterin" und begeisterte Reiterin. Die aufopferungsvolle Arbeit einer einfachen Rotkreuzschwester erlernte die geborene Erzherzogin während des Ersten Weltkrieges als Rotkreuzschwester im Lazarett Ostheim, das Fürst Albert zur besseren medizinischen Versorgung der Kriegsverwundeten 1914 im Osten Regensburg hatte einrichten lassen. Bis ins hohe Alter assistierte sie regelmäßig bei Operationen dem Chefarzt im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder oder dem Arzt im städtischen Kinderspital. Ihre trotz eines geradezu minutiös geregelten Tagesablaufs knapp bemessenen Mußestunden, die ihr Familie, gesellschaftliche Verpflichtungen und soziales Engagement ließen, füllten zwei große Leidenschaften aus: Reitsport und künstlerische Tätigkeit. Unter dem Pseudonym Margit von Valsassina schuf sie 1903/05 die Aquarelle zum Atlas der Heilpflanzen, den ihr Vater als begeisterter Botaniker zu Ehren der pflanzlichen Therapie des päpstlichen Prälaten und Pfarrers Sebastian Kneipp herausgebracht hatte. Daneben besitzen Fürstenhaus und Freunde der Fürstin eine Unzahl von Aquarellen, Ölbildern und Zeichnungen, die vor allem bei den Blumenmotiven die ausgeglichene und optimistische Lebenseinstellung der Künstlerin widerspiegeln. Neben der Malerei beschäftigte sich Margarete seit der Jahrhundertwende zudem mit der künstlerischen Plastik. Neben dem Fries der Vier Jahreszeiten für den Speisesaal in Schloß Garatshausen, den allegorischen Figuren auf dem Ostflügelbalkon des Regensburger Schlosses, die das thurn und taxissche Wappen symbolisieren, und den freien Rundplastiken wie Lautenspielerin, Ährenleserin, Sonnenanbeter auf Schloß Taxis schenkte Fürstin Margarete den Regensburger Bürgern die plastische Innenausstattung der 1930 geweihten Herz-Jesu-Kirche im Stadtwesten. In Dischingen schuf sie die Figur des Heiligen Georg beim Kriegerdenkmal an der Dischinger Pfarrkirche, auf der Egaubrücke den Heiligen Johannes Nepomuk und das Kriegerdenkmal mit der Figur des Heiligen Michael auf dem Ortsfriedhof in Dischingen. Die Fürstin selbst enthüllte 1953 das Denkmal mit den Worten: "Heiliger St. Michael breite Deinen schützenden Arm über unser Vaterland..." Nach der Ansprache vom damaligen Pfarrer Müller verlieh Bürgermeister Behr Ihrer Hoheit die Ehrenbürgerrechte der Gemeinde Dischingen. Vielleicht im Zusammenhang mit der Ernennung zur Ehrenbürgerin vermachte Fürstin Margarete der Gemeindeverwaltung eines ihrer Gemälde: Eine Ansicht von Schloß Taxis, mit Margit signiert und datiert auf das Jahr 1952. Im Jahre 1950 konnte das nun hochbetagte Fürstenpaar Albert und Margarete von Thurn und Taxis das seltene Jubiläum der Diamantenen Hochzeit im Kreis der Familie begehen. Ein Journalist charakterisierte zusammenfassend in der "Stuttgarter Wochenpost" das Leben derer von Thurn und Taxis in jenen Jahren fest wehmütig, erinnernd an verflossene Jahrzehnte: "Wenn
der greise Fürst in aufrechter Haltung und eleganter Kleidung nach den
Audienzen zur späten Vormittagsstunde durch die Straßen der Stadt spaziert,
bleiben viele Passanten stehen, machen Front zu ihm und ziehen tief
den Hut. Es hat mich tief beeindruckt in einem Gespräch mit ihrer Enkelin Prinzessin Clothilde von und zu Liechtenstein zu erfahren, daß die Fürstin in dieser Zeit oft sagte: "Wenn ich nicht mehr reiten kann, dann sterbe ich!" Als am 22. Januar 1952 Fürst Albert 85jährig verschied, war die Trauer der Fürstin groß, weil sie immer mit ihm zusammen sterben wollte. Am 2. Mai 1955 stirbt schließlich die Fürstin in Regensburg. Durch ihre unzähligen Kunstwerke wird sie in Erinnerung bleiben. In Dischingen sollte das ganz besonders gelten, denn in welchem anderen Ort trifft man "im öffentlichen Raum" auf nicht weniger als ein halbes Dutzend Kunstwerke, die allesamt von einer so außergewöhnlichen Künstlerin stammen, wie es Fürstin Margarete von Thurn und Taxis war. Ich möchte schließen mit einem Vers aus dem Buch der Sprichwörter, der auf dem Sterbebildchen abgedruckt worden ist: "Sie
öffnet ihre Hand für den Bedürftigen und reicht ihre Hände dem Armen" Hat
sie nicht gelebt aus dem Glauben, der ihr von ihren Müttern und Vätern
her überliefert wurde? "Unermüdlich
für andere zu leben und zu leiden, ist eine der höchsten Stufen der
wahren Liebe und der edlen Vollkommenheit" Ich meine, es ist etwas Großes, daß Gott uns so nahe ist durch andere Menschen, und daß wir im Zusammenhang der Geschlechter seine führende Hand spüren dürfen. Amen.
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