*
31. 12. 1893 in Dresden
† 9. 8. 1968 in Samedan/Engadin (Kanton Graubünden), Schweiz
16.
6. 1923 in Regensburg, ELISABETH HELENE, Prinzessin von Thurn und Taxis
(1903-1976), Tochter des Fürsten Albert von Thurn und Taxis und der
Erzherzogin Margarethe von Österreich († 1955)
Grabstätte: Königskapelle Imst/Brennbüchel in Nordtirol
Nach dem
Eintritt seines ältesten Bruders Georg in den Jesuitenorden und dem
Tod seines Vaters König Friedrich August III. von Sachsen wurde Prinz
Friedrich Christian Anwärter auf den sächsischen Königsthron und damit
auch Chef des Hauses Wettin-albertinische Linie. Zur Betonung seiner
neuen Stellung nannte er sich zusätzlich "Markgraf von Meißen" und griff
damit bewußt auf den ältesten Titel seiner wettinischen Ahnen zurück.
Prinz Friedrich
Christian von Sachsen wurde am 31. Dezember 1893 im Dresdner Taschenberg-Palais
als zweiter Sohn König Friedrich Augusts III. und dessen Gemahlin Luise
von Toscana geboren. In seinen Lebenserinnerungen berichtet Prinz Friedrich
Christian auf Grund von Erzählungen einzelner Familienmitglieder folgendes:
"Als am
31. Dezember 1893 meine Familie zur Jahresschlußfeier in der katholischen
Hofkirche versammelt war, erklangen die jubilierenden Töne des Tedeums
von Hasse in D-Dur, und auf einmal mischte sich eine ganz andere Melodie
in diese erhabene Kirchenmusik. Kanonendonner klang vom Neustädter Ufer
herüber, und die frommen Kirchenbesucher begannen die Schüsse zu zählen,
wissend, daß ein freudiges Familienereignis im Hause des damaligen Prinzen
Friedrich August erwartet wurde. Als nun der 31. Schuß fiel - also einer
über der Zahl, die einer Prinzessin zukam -, rief mein mütterlicher
Großvater Ferdinand von Toscana in die Königsloge zu König Albert hinüber:
'Der Christian ist da.' Unter solch' feierlichen Gelegenheiten erblickte
ich das Licht der Welt, und zwar an einem bemerkenswerten Tage im Jahr.
Sonst aber trug meine Geburt im Vergleich zu der meines ältesten Bruders
und mutmaßlichen Thronerben eine Note ausgesprochener Bescheidenheit
und stiller Häuslichkeit - denn während der Geburt meines Bruders Georg
ein Aufmarsch von fast allen Familienmitgliedern, Hofchargen und eines
Ministers stattfand, um die Echtheit gerade dieses Kindes zu bezeugen
und bei diesem für die Geschichte des Hauses und Landes wichtigen Ereignisses
zugegen zu sein - war diesmal meine Mutter mit der braven sächsischen
Hebamme allein."
Entsprechend
den militärischen Gepflogenheiten der königlichen Armee und der Familientradition
wurde Prinz Friedrich Christian bereits mit zehn Jahren Leutnant. Er
war aber auch ein ausgezeichneter Schüler und Student. Schon von früher
Jugend an nahm er regen Anteil am kulturellen Leben seiner Vaterstadt
Dresden. Hier lernte er den Musiker Richard Strauss kennen, erhielt
von Lothar Mehnert Schauspielunterricht und nützte die Möglichkeit,
bei Ludwig Justi Graphik zu studieren. Aufgrund seiner kulturellen Aufgeschlossenheit
nahm er wiederholt an Ausstellungen und Konzerten teil. Dabei wurde
die Liebe zu allen Sparten der Kunst und ihrer Schöpfer geweckt. Besonders
nach dem Zweiten Weltkrieg, einer Zeit, in der viele dieser Werke in
Frage gestellt wurden, setzte er sich aktiv für kulturelle und künstlerische
Probleme in Vorträgen und Publikationen ein. Seine Neigung zur Kunst-
und Kulturgeschichte ging so weit, daß er sich ernsthaft mit dem Gedanken
trug, sich nach Abschluß seines juristischen Studiums in Köln als Privatdozent
für Kunstgeschichte zu habilitieren. Durch den Ruf seines königlichen
Vaters, eine Arbeit in der Verwaltung des umfangreichen Besitzes in
Sachsen und Schlesien zu übernehmen, wurde die beabsichtigte wissenschaftliche
Laufbahn des Prinzen Friedrich Christian aus Gehorsam gegenüber dem
König und Chef des Hauses aufgegeben. Aus zahlreichen Äußerungen weiß
der Verfasser, wie schwer dieser Entschluß dem Prinzen gefallen war.
Dazu kam noch die Tatsache, daß für ihn in der königlichen Verwaltung
keine geeignete Stelle geschaffen werden konnte. Umso höher war es zu
bewerten, daß er immer wieder Zeit und Muße fand, sich mit kulturellen
Themen zu beschäftigen.
Gemäß einer
alten Tradition seines Hauses, daß ein Prinz aktiven Militärdienst zu
leisten hatte, folgte er dem Ruf seines Vaters Friedrich August und
trat in die ruhmreiche sächsische Armee ein. 1913 besuchte er die Kriegsakademie
in Dresden und übernahm schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges eine
Generalstabsaufgabe in einer Einheit der III. Armee an der Westfront.
Noch in den späteren Lebensjahren erzählte oder schrieb er viel über
seine militärischen Einsätze in Belgien und in Nordfrankreich. Nachdem
die Bewegungen des Krieges im Schützengraben erstarrt waren, wurde er
in den Osten zur Heeresgruppe Eichhorn - später Linsingen - versetzt.
Hier erkannten seine Vorgesetzten, daß in dem jungen Offizier noch weitere
Fähigkeiten steckten. Sein Verhandlungstalent, die Zähigkeit im unbeirrten
Verfolgen eines einmal gesteckten Zieles ließen ihn für die diplomatische
Laufbahn als geeignet erscheinen.
Dazu kam
noch ein ausgesprochen großes Talent für das Erlernen von Fremdsprachen.
Aus eigenem Erleben weiß der Autor, wie gut Prinz Friedrich Christian
die französische und italienische Sprache beherrschte. Recht umfangreich
waren auch seine Kenntnisse im Englischen. So wurde der mit hohen Tapferkeitsauszeichnungen
dekorierte Wettiner zu König Alfons von Spanien, zum türkischen Sultan
nach Konstantinopel (Istanbul) und schließlich zu seinem Vetter, Kaiser
Karl I. von Österreich, geschickt. Auch mit König Ferdinand von Bulgarien
unterhielt Prinz Friedrich Christian enge und freundschaftliche Kontakte.
Dasselbe galt für die Päpste bis zu Paul VI., die ihn wegen seiner präzisen
Stellungnahme zu politischen und kirchlichen Fragen schätzten.
Bezeichnend
ist, daß Prinz Friedrich Christian - ähnlich wie seine Vorfahren - für
ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zu Österreich eintrat, auch
wenn er die 1870/71 durch die Reichsgründung entstandenen Neuerungen
keineswegs außer acht ließ. Bemerkenswert ist seine mehrfach bezeugte
Äußerung, daß Deutschland von 1871 bis zum Ende der Monarchie 1918 besser
gefahren wäre, wenn ein österreichischer Politiker die Geschicke des
Auswärtigen Amtes in Berlin geleitet hätte.
Gegen Ende
des Ersten Weltkrieges 1918 trat Prinz Friedrich Christian mit den ihm
anvertrauten sächsischen Truppeneinheiten den Rückzug aus Belgien und
Frankreich an. Bei Koblenz wollten ihnen die Revolutionäre die Kriegsauszeichnungen
abnehmen, was aber mißlang. So kehrte er mit seinen Truppen nach Deutschland
zurück und konnte sein Regiment bei Fulda demobilisieren.
Wie bereits
erwähnt, wandte sich der Prinz nach Beendigung des Krieges dem Studium
der Rechtswissenschaften in Köln, Freiburg (Breisgau) und Breslau zu
und schloß mit der Promotion zum Dr. jur. ab. Als Thema seiner Doktorarbeit
wählte er die Persönlichkeit von Nicolaus Cusanus, der für die Entwicklung
des Kirchenrechtes im späten Mittelalter erhebliche Bedeutung besaß.
Diese wissenschaftliche Arbeit ist noch heute in der Universitätsbibliothek
Köln erhalten.
Am 16.
Juni 1923 heiratete Prinz Friedrich Christian in Regensburg Prinzessin
Elisabeth Helene, die einzige Tochter des Fürsten Albert von Thurn und
Taxis und dessen Gemahlin Margarethe, die eine gebürtige Erzherzogin
von Österreich war und der ungarischen Linie des Hauses Habsburg entstammte.
Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, darunter zwei Söhne und drei
Töchter.
Bis zur
Übernahme des väterlichen Besitzes in Sachsen und Schlesien führte Prinz
Friedrich Christian in Bamberg - bis 1937 Wohnsitz der Familie - den
Marienritterorden, der damals als katholischer Laienverband ca. 5000
Mitglieder zählte. Nachdem Kronprinz Georg den geistlichen Stand gewählt
hatte, trat Prinz Friedrich Christian 1932 in die väterliche Verwaltung
in Sibyllenort ein und schloß mit seinem jüngeren Bruder Ernst Heinrich
ein Abkommen über die Vermögensverhältnisse des Hauses Wettin-albertinische
Linie.
1937 zog
Prinz Friedrich Christian mit seiner Familie von Bamberg nach Schloß
Wachwitz im Stadtteil Dresden-Loschwitz um. Dort hatte er sich im Stil
des sächsischen Barock eine noch heute bestehende Schloßanlage errichtet.
Diese befindet sich in einer herrlichen Berghöhenlage etwa 100 Meter
oberhalb des Dresdner Elbetales. Bis April 1990 diente Schloß Wachwitz,
wie es heute heißt, der kommunistischen Jugendorganisation FDJ unter
dem Namen "Hochschule Wilhelm Pieck" als Ausbildungsstätte in der bis
zur Wende 1989/90 vorherrschenden Ideologie des Marxismus-Leninismus.
Von da an bis Ende 1992 unterhielt die "Medizinische Akademie Dresden
- Carl Gustav Carus" hier widerrechtlich ein Gästehaus, in dem vorzugsweise
Seminare, Fortbildungskurse und verschiedene gesellschaftliche Veranstaltungen
durchgeführt wurden. Im Mai 1993 wurde Wachwitz durch die Treuhand Berlin
dem Freistaat Sachsen "übereignet", obwohl die Wettiner seit 1990 Anträge
auf Rückübereignung gestellt hatten und das Finanzministerium diese
bisher nicht positiv beschieden hat. Im Oktober 1993 wurde dieses Objekt
mit Wald sogar zum "Verkauf" ausgeschrieben, wobei die Ansprüche des
Hauses Wettin-albertinische Linie als "Erbengemeinschaft" völlig mißachtet
wurden.
Wer dieses
Haus vor 1945 aufsuchen konnte, durfte sich mit vollem Recht über die
künstlerische Gestaltung der barocken Innenräume mit den heute vorzugsweise
im Barockmuseum Schloß Moritzburg befindlichen Gemälden aus der Zeit
Augusts des Starken und seiner Nachfolger erfreuen.
Die Schloßkapelle
mit dem Deckengemälde der Gloriole des Hauses Wettin, eine Schöpfung
des aus Garmisch-Partenkirchen stammenden Malers Bickel ist deswegen
anzuführen, weil sie zur Zeit der Gottesdienste auch für die Allgemeinheit
zugänglich war. Ähnliches galt für Sibyllenort bei Breslau, Peuke/
Schlesien und Rehefeld im östlichen Erzgebirge, das der Prinz zu einem
gutgehenden Hotel umgestalten ließ. Nach Vorbildern ländlicher Bauwerke
im süddeutschen Raum und in Böhmen wurden die einzelnen Gästezimmer
in Rehefeld neu gestaltet und diesen auch die passenden Namen gegeben.
Schloß
Wachwitz entwickelte sich von 1937 bis 1945 auch zu einem geistigen
und kulturellen Mittelpunkt. Dazu schreibt Prinz Maria Emanuel von Sachsen:
"Berühmte
Kanzelredner wie der Dominikaner-Prior, Pater Marianus Vetter O. P.
aus Wien, sowie der Jesuit Kronseder hielten Einkehrtage und Vorträge.
Auch Opernkünstler sangen hier wie z. B. Erika Rokitta und Joseph Hermann.
Des Markgrafen große Einkünfte aus gut rentierenden Fabriken ermöglichten
ihm, wenn auch nur für wenige Jahre, in den herrlichen Salons seines
Hauses ein unvergessenes Mäzenatentum zu entfalten. Martha Fuchs, die
Dresdner Isolde aus Stuttgart, sang hier die Wesendonck-Lieder und der
Enkel Mathildes, Prof. von Bissingen, trug aus bisher unbekannten Briefen
seiner Großmutter vor. Das Jahn-Dahmen-Quartett konzertierte hier zu
Lesungen der Dichter Sohle und Brandenburg."
Auch der
unvergessene Musiker und Dirigent Karl Böhm, von 1934 bis 1943 Intendant
der Dresdner Staatsoper, erzählte dem Verfasser anläßlich eines Zusammentreffens
in München, wie gerne er sich an die traditionellen Hauskonzerte bei
Prinz Friedrich Christian in Wachwitz erinnerte, zu denen er wiederholt
eingeladen wurde. Wie schon erwähnt, ließ Prinz Friedrich Christian
die Deckenmalereien der Schloßkapelle durch den Maler Hermann Bickel
aus Garmisch-Partenkirchen gestalten. Das noch heute zu bewundernde
Decken-Fresko zeigt die Himmelfahrt Mariens, umgeben von den Namensheiligen
des Markgrafenpaares: Bischof Christian von Oliva bei der Bekehrung
der noch heidnischen Pruzzen und St. Elisabeth von Thüringen mit dem
Rosenwunder. Eingerahmt sind diese Heiligen von Szenen der mit der Geschichte
der Wettiner verbundenen Heiligen wie St. Benno von Meißen oder König
Ludwig IX. der Heilige von Frankreich. Der gesamte Freskenzyklus kann
somit als Gloriole des Hauses Wettin-albertinische Linie bezeichnet
werden. Zu erwähnen ist noch, daß die Mutter Gottes die Gesichtszüge
der Markgräfin Elisabeth Helene und der von ihr getragene Jesusknabe
Gesichtszüge des Prinzen Maria Emanuel hat. Die sie umgebenden Engel
sind die übrigen Kinder des Markgrafenpaares. Allein dieses Deckengemälde
ist ein Beweis dafür, daß Schloß Wachwitz weiterhin als Eigentum der
Familie zu betrachten ist.
Es ist
aber noch anzuführen, daß Prinz Friedrich Christian von Sachsen ein
großer Förderer und Liebhaber der Dresdner Hof- und Staatsoper war.
Bis zur Schließung dieses weltberühmten Opernhauses am 31. August 1944
besuchte er alle wichtigen Premieren und unterhielt zusätzlich Kontakte
mit den Künstlern, die er wiederholt zu den Hauskonzerten nach Wachwitz
einlud. In Vorahnung der furchtbaren Ereignisse des 13./14. Februar
1945 setzte er sich gegenüber seiner Gemahlin Elisabeth Helene und den
Erziehern seiner älteren Kinder Maria Emanuel, Maria Josepha und Maria
Anna dafür ein, daß diese - trotz ihrer Minderjährigkeit - mit ihm beachtliche
Opernaufführungen besuchen durften. Er wollte seinen Kindern damit
einen nachhaltigen Eindruck der überwältigenden Bedeutung der Dresdner
Musikkultur in Vergangenheit und Gegenwart vermitteln. Aus Erzählungen
weiß der Verfasser, daß dies dem Prinzen Friedrich Christian voll gelang.
Schloß
Wachwitz bildete aber auch einen Mittelpunkt zur Erörterung von Problemen
menschlicher Art. Diese ergaben sich durch den Nationalsozialismus und
die damit zusammenhängende Machtergreifung Adolf Hitlers im Januar 1933.
Als Folge der zugespitzten politischen Lage bot sich die günstige Gelegenheit,
daß sich zahlreiche ehemalige Regiments- und Armeekameraden, die oft
zu höchsten militärischen Ehren gelangt waren, beim Markgrafenpaar Rat
und Trost suchten. Unter ihnen befanden sich die Generäle Oster und
Olbricht, die Prinz Friedrich Christian als einen verschwiegenen und
gerechten Ratgeber schätzten. Viele Soldaten folgten ihrem Vorbild.
Der Prinz riet ihnen, sich nicht im Alleingang gegen das herrschende
Regime des Dritten Reiches zu stellen, bevor nicht eine geschlossene
und absolut diskrete Widerstandsgruppe geschaffen war. Die Ereignisse
des 20. Juli 1944 sollten ihm recht geben.
Sein Dresdner
Schloß stand auch regierenden Monarchen und ihren Familienangehörigen
durchaus offen. So waren beispielsweise König Carol von Rumänien, dessen
Sohn Michael und Kronprinz Paul von Griechenland mit Gemahlin Friederike
in Wachwitz zu Gast. Aber auch Besucher aus allen Kreisen der Bevölkerung
- vor allem natürlich Vertreter des Kultur- und Geisteslebens - waren
stets gerngesehene Gäste. Dazu zählten auch Verwandte aus befreundeten
deutschen Fürstenhäusern, in erster Linie Angehörige der Häuser Thurn
und Taxis und Hannover. So erlebte der vor einiger Zeit verstorbene
Chef des Weifenhauses Prinz Ernst August von Hannover nach einer schweren
Verwundung als Folge einer Kriegsverletzung einen längeren Genesungsaufenthalt
auf Schloß Wachwitz.
Die Haupt-
und Residenzstadt Dresden sank am 13. und 14. Februar 1945 nach drei
englischen und amerikanischen Bombenangriffen in Schutt und Asche. Prinz
Friedrich Christian und seine Gemahlin Elisabeth Helene nahmen zahlreiche
Opfer dieser Angriffe in ihrem erhalten gebliebenen Haus in Wachwitz
auf. Die beiden jüngsten Kinder des Markgrafenpaares, Albert und Mathilde,
erlebten diese schweren Zeiten in Bregenz am Bodensee.
Viel Kummer
bereitete der königlichen Familie aber auch der älteste Sohn des Markgrafenpaares,
Prinz Maria Emanuel von Sachsen, der sich wegen eines unbedachten und
gegen das Regime gerichteten Briefes seit 1943 in der Haft der Machthaber
des NS-Regimes befand. Zunächst wurde Maria Emanuel in Saulgau (Württemberg)
festgehalten, dann aber nach Potsdam überstellt, wo ihm vor dem berüchtigten
Volksgerichtshof der Prozeß gemacht werden sollte. Glücklicherweise
fiel aber Staatsanwalt Roland Freisler einem Bombenangriff noch vor
der Eröffnung des Prozesses gegen den Prinzen zum Opfer. Aufgrund der
guten Kontakte des Markgrafen Friedrich Christian zu maßgeblichen Stellen
in Berlin konnte die Anklage auf ein Jugendvergehen abgemildert werden,
denn sonst wäre Prinz Maria Emanuel bestimmt zum Tode verurteilt worden.
Bei Kriegsende 1945 wurde der Prinz als politischer Häftling durch die
in Potsdam einrückenden sowjetischen Truppen befreit und konnte endlich
1946 mit Eltern und Geschwistern im österreichischen Vorarlberg ein
Wiedersehen feiern.
Die markgräfliche
Familie verließ kurz nach den verheerenden Bombenangriffen auf Dresden
ihre angestammte sächsische Heimat. Mit Unterstützung der deutschen
Wehrmacht, die Schloß Wachwitz besetzte, konnte sie mit dem letzten
durchgehenden beschleunigten Personenzug vom Vorortbahnhof Dresden-Plauen
nach Hof in Bayern gelangen. Markgraf Friedrich Christian und seine
Angehörigen fanden zuerst Unterkunft bei den Schwiegereltern, Fürst
Albert und Fürstin Margarethe von Thurn und Taxis, in Regensburg, zogen
aber dann weiter nach Bregenz in Vorarlberg. Dort lebten die beiden
jüngsten Kinder Albert und Mathilde seit 1940 mit ihrer ehemaligen Kinderschwester
und Betreuerin Maria Schwimmer. Die kleine Mietwohnung in der Belruptstraße
38 wurde nun wenigstens vorübergehend die neue Heimstätte der albertinischen
Wettiner. Dort erlebte die markgräfliche Familie den Einmarsch der Franzosen
am 1. Mai 1945 und das Ende des Zweiten Weltkrieges.
Bregenz,
die Landeshauptstadt des 1945 wiedererstandenen österreichischen Bundeslandes
Vorarlberg, wurde Bestandteil der französischen Besatzungszone Österreichs.
Aufgrund der guten Beziehungen und der ausgezeichneten Kenntnisse der
französischen Sprache konnte Prinz Friedrich Christian vielen Einheimischen
und Flüchtlingen in oft schwierigen Fragen ihrer weiteren Existenz Hilfe
angedeihen lassen. Auch unter den französischen Offizieren besaß er
zahlreiche Freunde, die ihn in seinen Bestrebungen unterstützten. Ähnliches
galt auch für die österreichischen Behörden, die dem aus Sachsen geflüchteten
Haus Wettin-albertinische Linie bis 1955 in großzügiger Weise die notwendigen
Aufenthaltsgenehmigungen erteilten. Darüber hinaus halfen zahlreiche
Freunde und Bekannte in Bregenz entscheidend mit, daß die markgräfliche
Familie nach der Flucht aus Sachsen überhaupt weiterleben konnte. Aufgrund
der engen Verbindungen zu den französischen Stellen gelang es dem Prinzen
Friedrich Christian, dem Musiker Richard Strauss und seiner Gemahlin
die Einreise in die Schweiz zu ermöglichen und die in Dornbirn verwahrten
und von den Franzosen beschlagnahmten Originalpartituren freizubekommen.
Als Dank für diese Unterstützung verehrte der Meister dem Prinzen Friedrich
Christian ein handgeschriebenes Original-Taschenbuch mit Erstaufzeichnungen
der 1911 in Dresden uraufgeführten Oper "Der Rosenkavalier".
Während
dieses Aufenthaltes in Bregenz, dem Bregenzerwald und in Schloß Altshausen
in Württemberg bei seinem Vetter Herzog Philipp von Württemberg, wo
er mehr als fünf Jahre mit seinem ältesten Sohn Maria Emanuel lebte,
entstanden aus seiner Feder zahlreiche Aufsätze geschichtlicher, kultureller,
philosophischer und theologischer Art. Sie bewiesen einmal die geistige
Vielseitigkeit seiner Person, zum anderen die feste Verwurzelung mit
seiner angestammten sächsischen Heimat, der er trotz Flucht und Exil
in Treue verbunden blieb. Dazu kam noch ein umfangreicher brieflicher
und persönlicher Verkehr mit zahlreichen Freunden, Bekannten und Verwandten.
Prinz Friedrich
Christian von Sachsen erkannte schon bald nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges die Wichtigkeit, den zahlreichen, im freien Teil Deutschlands
lebenden Sachsen eine geistige Heimat zu geben. So organisierte er den
Zusammenschluß der sächsischen und mitteldeutschen Landsmannschaften.
1953 hielt er dabei auch einen grundlegenden und zukunftsweisenden Vortrag.
Gleichzeitig bemühte er sich um den Zusammenschluß der sächsischen und
deutschen Adelsverbände.
Nachdem
1955 die albertinischen Wettiner mit Hilfe des nahe verwandten fürstlichen
Hauses Thurn und Taxis in München-Harlaching eine neue Heimat gefunden
hatten, gründete der Markgraf Friedrich Christian am 30. Januar 1961
gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Maria Emanuel und Albert, Vertretern
des sächsischen Adels, des Kapitels des Königlich-Sächsischen-Militär-St.
Heinrichs-Ordens, des Vereins der Dresdner und der Landsmannschaft Sachsen
- Kreisgruppe München die "Studiengruppe für Sächsische Geschichte und
Kultur e. V. München". Sie stellt gegenwärtig eine der größten sächsischen
Vereinigungen im Bundesgebiet insgesamt dar. Die Sachsen und Freunde
Sachsens sahen in ihm in der Tat einen Mittelpunkt, an den sie sich
mit all ihren Sorgen und Problemen vertrauensvoll wenden konnten.
Auch dem
Kapitel des Königlich-Sächsischen-Militär-St. Heinrichs-Ordens - den
Trägern der höchsten sächsischen Kriegsauszeichnung bis 1918 - gab Markgraf
Friedrich Christian einen neuen Inhalt, sich neben der Tradition und
der Geschichte der alten königlichen Armee um die Erhaltung der Kultur
und Geschichte Sachsens insgesamt zu bemühen. Zu diesem Zweck schuf
Friedrich Christian die St.-Heinrichs-Nadel, die der jeweilige Chef
des Hauses Wettin-albertinische Linie für Verdienste um die sächsische
Geschichte und Kultur verleiht. Seit einiger Zeit sind die Nadelträger
in einer eigenen Vereinigung zusammengefaßt, um die Ideale dieses ursprünglich
militärisch orientierten Ordens auch für die Zukunft zu erhalten. Prinz
Friedrich Christian war überdies der letzte Großmeister dieses ehrwürdigen
Ordens. Seit seinem Tod 1968 wurde dieser Posten aufgrund einer von
ihm testamentarisch festgelegten Verfügung nicht mehr besetzt.
Prinz Friedrich
Christian wurde nicht müde, auch bei befreundeten Vereinen und Organisationen
für seine Ziele und Aufgaben zu werben. So hielt er z. B. vor der "Gesellschaft
der Hundert" und im Auditorium Maximum der Universität Basel vor Studenten
Vorträge zu den Themen "Plaudereien über Kultur am sächsischen Hof"
und den Briefwechsel König Ludwigs II. von Bayern mit Richard Wagner.
In dieser Beziehung ist zu erwähnen, daß Markgraf Friedrich Christian
von Meißen als Mitglied des "Richard-Wagner-Verbandes" in aktiver Weise
für die Ziele und Aufgaben dieser Vereinigung eintrat. Ähnliches
tat er auch als Mitglied der Dante- und Shakespeare-Gesellschaft. Sein
Erbe in beiden Vereinigungen wird bis in die Gegenwart von seinen Söhnen
Maria Emanuel und Albert weitergeführt.
Entsprechend
seinen Zielen verfaßte Prinz Friedrich Christian - wie bereits ausgeführt
- zahlreiche Aufsätze und hielt unzählige Vorträge im In- und Ausland.
So ist es verständlich, daß er der Nachwelt einen reichen geistigen
Nachlaß überließ. Dieser wurde noch dadurch bereichert, daß er mit zahlreichen
bedeutenden Persönlichkeiten aus aller Welt in brieflichen Kontakten
stand. Bemerkenswert erwies sich überdies seine vorbildliche Laienarbeit
im Dienst der römisch-katholischen Kirche. Deren Bedeutung kann erst
dann voll erkannt werden, wenn die Vatikanischen Archive Einblicke in
seine Korrespondenz mit zeitgenössischen Päpsten, wie Benedikt XV.,
Pius XI., Pius XII., Johannes XXIII. und Paul VI. gewähren.
Neben diesen
geistig-wissenschaftlichen Betätigungen erwies sich Prinz Friedrich
Christian von Sachsen auch als Freund der Natur. Offenbar als Erbe seiner
wettinischen Vorfahren war er persönlich ein Bewunderer der Alpenwelt.
Besonders in seinen letzten Lebensjahren besuchte er mit seiner Gemahlin
Elisabeth Helene und in Begleitung seiner jüngeren Kinder das Oberengadin
im schweizerischen Kanton Graubünden. Dort wählte er in Samedan fast
alljährlich das "Hotel Bernina" zum Urlaubsort. Von dort unternahm er
mehr oder weniger ausgedehnte Bergwanderungen und Ausflüge in die Bergwelt
oder zu wichtigen kulturellen Sehenswürdigkeiten. Nicht zu verwundern
ist die Tatsache, daß er ein gerngesehener Gast war und den Mittelpunkt
eines großen Freundes- und Bekanntenkreises bildete. Dazu zählten auch
Mitglieder der bekannten Malerfamilie Segantini. Im "Hotel Bernina"
kam es vielfach zu anregenden und bis tief in die Nacht hinein dauernden
Gesprächen und Diskussionen unterschiedlichen Inhalts. Für seine Vorliebe
zu den Bergen ist die Tatsache bezeichnend, daß er während eines traditionellen
Sommeraufenthaltes am 9. August 1968 inmitten seiner geliebten Bündner
Berge verstarb. Mit Recht können wir seinem ältesten Sohn Maria Emanuel
zustimmen, wenn er schreibt:
"Friedrich
Christian hat sein ganzes Leben nach dem Wahlspruch seines Hauses 'Providentiae
Memor' (Der Vorsehung eingedenk) gehandelt und keine Zeit ungenützt
verstreichen lassen, um sich für die höchsten Güter der Nation einzusetzen."
Prinz Friedrich
Christian fand seine letzte Ruhestätte in unmittelbarer Nähe der Königskapelle
Imst-Brennbüchel/Nordtirol, womit die durch den Unglücksfall König Friedrich
Augusts II. von Sachsen am 9. August 1854 angebahnten Kontakte zu Österreich
weiter vertieft werden konnten. Zu erwähnen ist noch, daß Markgraf Friedrich
Christian am 9. August 1968 verstarb. Damit besitzen beide Wettiner
den gleichen Sterbetag, allerdings in unterschiedlichen Jahren.
Die
Nachkommen Prinz Friedrich Christians und Prinzessin
Elisabeth Helenes
1. MARIA
EMANUEL, Prinz von Sachsen, Herzog zu Sachsen, Markgraf von Meißen
*
31. 1. 1926 im Schloß Prüfening bei Regensburg,
23. 6. 1962 in Vevey/Genfer See, Anastasia Louise, Prinzessin von Anhalt-Dessau
(*22. 10. 1940), Tochter des Prinzen Eugen von Anhalt und Dr. rer. pol.
Anastasia Jungmeier; seit 1968 Chef des Hauses Wettin-albertinische
Linie
2. MARIA
JOSEPHA, Prinzessin von Sachsen, Herzogin zu Sachsen
* 20. 9. 1928 in Bad Wörishofen/Bayrisch-Schwaben
3. MARIA
ANNA JOSEPHA, Prinzessin von Sachsen, Herzogin zu Sachsen
* 13. 12. 1929 in Bad Wörishofen/Bayrisch-Schwaben,
1. 5. 1952 in Paris, Roberto Afif, Prinz von Gessaphe (1916-1978)
4. ALBERT
JOSEPH MARIA FRANZ XAVER, Prinz von Sachsen, Herzog zu Sachsen, Dr.
phil.
* 30. 11. 1934 in Bamberg,
12. 4. 1980 in München (Theatinerkirche) Elmira Carlen Henke (*25.
12. 1930), Tochter des Textilkaufmannes Emil Henke (1886-1957) und Lydia
Müller, beide aus Lodz
5. MATHILDE
MARIA JOSEPHA ANNA XAVERIA, Prinzessin von Sachsen, Herzogin zu Sachsen,
Dr. med.
* 17. 1. 1936 in Bamberg,
12. 11. 1968 im Kloster Andechs bei München, Johannes, Prinz von Sachsen-Coburg
und Gotha-Kohary (* 1931), geschieden in Innsbruck, Dezember 1993